Es gibt Aspekte, die menschliche Beziehungen oftmals früher und stärker beeinflussen, als den meisten bewusst ist: unsere Glaubenssätze über Liebe. Glaubenssätze wirken wie eine unsichtbare Brille: Sie steuern, wie wir Verhalten und Signale unseres Gegenübers deuten, und beeinflussen so Zufriedenheit, Bindung und Konfliktstil. Die Forschung zeigt, dass besonders die Frage „Schicksal oder Wachstum?“ in Beziehungen entscheidend ist und dass veränderbare, wachstumsorientierte Überzeugungen Paare langfristig stabiler machen.
Was die Forschung zeigt
Studien unterscheiden unter anderem zwischen einem Schicksalsglauben („Es passt oder es passt nicht.“) und einem Wachstumsglauben („Beziehungen kann man gemeinsam gestalten und verbessern.“). In einer längsschnittlichen Untersuchung mit rund 900 Paaren zeigte sich: Menschen mit starkem Schicksalsglauben sind anfangs oft sehr zufrieden, die Zufriedenheit nimmt aber über die Zeit eher ab – besonders, wenn beide so denken, weil Konflikte schnell als „Beweis, dass es nicht passt“ gedeutet werden.
Bei einem ausgeprägten Wachstumsglauben bleibt die Zufriedenheit oft stabiler, weil Konflikte als Lernchance gesehen werden und Paare eher aktiv in die Beziehung investieren, etwa durch Gespräche, gemeinsame Ziele oder im Zweifel professionelle Hilfe. Außerdem verstärkt sich dieser Wachstumsglaube, wenn Paare ihre Beziehung als gelingend erleben. Gute Erfahrungen nähren also den Glauben, gemeinsam Schwierigkeiten meistern zu können.

Wie Glaubenssätze konkret wirken
Glaubenssätze sind tief verankerte innere Überzeugungen darüber, wie die Welt funktioniert, was wir erwarten dürfen und wie wir selbst (vermeintlich) sind. Sie entstehen aus früheren Bindungserfahrungen, aus Erziehung, aus Kultur, aber auch aus den Mustern, die wir aus vergangenen Beziehungen mitnehmen. Viele davon laufen automatisch ab und bestimmen unser Verhalten, ohne dass wir sie aktiv bemerken.
Glaubenssätze wirken wie selbsterfüllende Prophezeiungen: Wer etwa glaubt „am Ende werde ich sowieso verlassen“, verhält sich häufig misstrauisch, klammernd oder zieht sich vorsorglich zurück – und erhöht damit unbewusst das Risiko, dass der*die Partner*in tatsächlich auf Distanz geht. Ähnlich können Überzeugungen wie „in einer guten Beziehung gibt es keine großen Konflikte“ dazu führen, dass Paare bei Problemen sofort an der Beziehung zweifeln, statt Lösungen zu suchen.
In Beziehungen zeigen sie sich als innere Sätze wie z. B.:
- „Wenn man sich wirklich liebt, versteht man sich automatisch.“
- „Konflikte bedeuten, dass etwas nicht stimmt.“
- „Liebe muss leicht sein.“
- „Ich muss meine Bedürfnisse zurückstellen, damit die Beziehung funktioniert.“
- „Menschen verlassen mich, wenn ich Fehler mache.“
- „Ich muss immer perfekt sein.“
Solche Überzeugungen können trösten, motivieren oder Stabilität geben – sie können aber auch Druck erzeugen, Ängste verstärken oder Nähe sabotieren. Entscheidend ist nicht, ob ein Glaubenssatz „positiv“ klingt, sondern ob er flexibel ist und Spielraum für Realität lässt.
Es lassen sich grob drei Bereiche von Glaubenssätzen in Beziehungen unterscheiden: Überzeugungen darüber, wie Beziehungen „sein müssen“, Glaubenssätze über euch selbst als Partner*in und Bilder davon, wie ein*e Partner*in zu sein hat.
Wie Glaubenssätze Beziehungen im Alltag formen
In der Studie von Gander et al. (2025) sahen sich die Forschenden vor allem die Unterschiede von Paaren mit Schicksals- vs. Wachstumsglauben an. Paare mit Schicksalsglauben gehen davon aus, dass Liebe „bestimmt“ ist, dass man den „richtigen“ Menschen findet und dass Beziehungsharmonie weitgehend gegeben sein muss. Menschen mit solchen Überzeugungen starten oft mit hoher Zufriedenheit in eine Partner*innenschaft – sie glauben an das Gefühl, an die Passung und an die Idee, dass alles „einfach läuft“.
Beim Wachstumsglauben gehen Menschen dagegen davon aus, dass Liebe sich entwickelt, dass man gemeinsam wächst und dass Beziehungen nicht perfekt sind, sondern gepflegt werden müssen. Die Personen, die an Wachstum glauben, starten nicht unbedingt glücklicher in Beziehungen, aber sie erleben deutlich weniger Rückgang der Zufriedenheit im Verlauf der Zeit. Menschen, die an Entwicklung glauben, sehen Konflikte eher als Hinweis, dass etwas gelernt oder angepasst werden kann. Sie sind offener für Reparatur, sie entschuldigen sich eher, suchen schneller Nähe und können besser zwischen der Situation und der Beziehung als Ganzes unterscheiden.
Beide Typen können erfüllende Beziehungen führen, aber die Flexibilität der Menschen mit Wachstumsglauben macht sie widerstandsfähiger gegenüber realen Belastungen. Das erklärt, warum Paare mit Wachstumsüberzeugungen weniger Zufriedenheitsverlust über die Jahre erleben.

Glaubenssätze können sich verändern – aber selten von alleine
Glaubenssätze sind formbar, aber sie bleiben stabil, solange niemand sie hinterfragt. Viele Paare merken erst in Krisen, wie stark ihre Überzeugungen ihr emotionales Erleben prägen. Die Aussage „Wir reden einfach nicht mehr miteinander“ kann dann plötzlich eine ganz andere Bedeutung bekommen, wenn klar wird, dass eine Person glaubt, Liebe müsse intuitiv funktionieren – und deshalb nie gelernt hat, Bedürfnisse aktiv auszusprechen.
Der Schlüssel ist nicht, die „richtigen“ Glaubenssätze zu finden, sondern die eigenen Überzeugungen bewusst zu machen und zu prüfen, ob sie heute noch hilfreich sind. In der Paartherapie fällt häufig zum ersten Mal auf, wie viele Missverständnisse durch unterschiedliche Glaubenssätze entstehen. Paartherapeut*innen helfen dabei, die zugrunde liegenden inneren Botschaften sichtbar zu machen:
- Was bedeutet Nähe für jeden?
- Welche Erwartungen verbinden wir mit Liebe?
- Welches Bild von Beziehung haben wir gelernt?
- Welche inneren Sätze steuern Verletzlichkeit oder Rückzug?
Wenn Paare verstehen, warum und wie sie reagieren, entsteht Raum für neue Lösungen. Viele bemerken dann, dass nicht der*die Partner*in das Problem ist, sondern die Erwartung, dass Beziehungen ohne Anstrengung funktionieren müssten.
Paare, die ihre Glaubenssätze reflektieren und miteinander besprechbar machen, öffnen die Tür zu einer Beziehung, die nicht auf Perfektion oder festgesetzten Mustern, sondern auf Entwicklung und Lernbereitschaft basiert. Paartherapie kann der Ort sein, an dem dieser Prozess beginnt.
Quellen:
- The role of relationship beliefs in predicting levels and changes of relationship satisfaction (2025)
- Romantic Beliefs: Their Influence on Relationships and Patterns of Change Over Time (1999)
- Relationship Beliefs and Expectations of Satisfaction in Marital Relationships: Implications for Family Practitioners (1995)
- Fotos: Finde Zukunft (Unsplash), Javier Allegue Barros (Unsplash)


