
Ehrlichkeit ist eine der wichtigsten Grundlagen einer stabilen und vertrauensvollen Beziehung. Wenn Lügen ans Licht kommen, sorgt dies für Konflikte, die nur von vorübergehender Natur sein können – oder das Vertrauen langfristig erschüttern. Doch was passiert, wenn nicht gelogen, sondern „nur etwas verschwiegen“ wird? Ist das bereits eine Form der Unehrlichkeit? Und wie sollte man als Paar damit umgehen?
Was sagt die Forschung dazu?
Die Wissenschaft unterscheidet zwischen verschiedenen Unterkategorien von Lügen: vollständige Täuschung, Halbwahrheiten, Übertreibungen und sachdienliche Auslassungen. Menschen verschweigen Details oft aus verschiedenen Gründen, z. B. um Partner*innen nicht zu verletzen, um Streit zu vermeiden oder weil sie glauben, dass die empfangende Seite nicht in der Lage wäre, die Wahrheit zu erkennen – oder die Information schlichtweg als nicht relevant angesehen wird. Ferner können Lügen in zwei verschiedene Motivationskategorien unterteilt werden: prosoziale Lügen, die zum Nutzen anderer konstruiert werden, und antisoziale Lügen, die egoistischer Natur sind.
In der Forschung gibt es Befunde, dass das Verschweigen von relevanten Informationen ähnliche Auswirkungen auf das Vertrauen in einer Beziehung haben kann wie direktes Lügen. Laut einer Studie von Levine und Schweitzer fühlt sich betrogene Person oft nicht nur über die fehlende Information getäuscht, sondern auch in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, da sie aufgrund unvollständiger Fakten nicht selbstbestimmt handeln konnte.
Die Frage „Ist Details verschweigen lügen?“ könnte man anhand der Unterkategorien also mit Ja beantworten. Wie bereits in meinem Instagram-Post beschrieben, spielt dabei aber auch immer Moral eine wichtige Rolle.

Moralische Perspektiven: Ist Verschweigen immer problematisch?
Ob Details verschweigen als moralisch problematisch empfunden wird, hängt stark von der individuellen Ethik und den gemeinsamen Werten in einer Beziehung ab. Während einige Menschen eine strikte „radikale Ehrlichkeit“ bevorzugen, gibt es auch Paare oder Polyküle, die bewusst gewisse Informationen nicht austauschen, um sich gegenseitig zu schützen oder die Harmonie zu bewahren.
Hier hilft die Unterscheidung zwischen notwendigem Schutz und manipulativer Kontrolle:
- Schutz: Kleine Geheimnisse (z. B. die genaue Höhe eines teuren Geschenks) können dazu dienen, den anderen nicht unnötig zu belasten oder positiv zu überraschen.
- Kontrolle: Wenn wichtige Informationen bewusst verschwiegen werden, um Entscheidungen zu beeinflussen oder Verantwortung zu umgehen, kann dies als problematische Manipulation betrachtet werden.
Ein Beispiel: Caro, Leo und Jonte führen eine Beziehung zu dritt. Dabei bezeichnen sie ihre Dreierkonstellation als Primärbeziehung und erwarten emotionale Treue und Aufrichtigkeit voneinander. Sexuelle Abenteuer außerhalb dieser Beziehung sind aber in Ordnung. Da Leo nicht immer alle Details von den anderen beiden wissen möchte, haben sie beschlossen, die genauen sexuellen Aktivitäten eher für sich zu behalten und nur zu berichten, ob es Außenkontakte gab. Dies hat sich eingespielt und funktioniert für alle drei so am besten.
Wie kann man therapeutisch mit dem Thema arbeiten?
In der Paartherapie geht es weniger darum, absolute Regeln aufzustellen, sondern Menschen in Beziehungen dabei zu unterstützen, ein gemeinsames Verständnis für Ehrlichkeit und Transparenz zu entwickeln. Dabei helfen:
- Definitionen abgleichen: Verschiedene Menschen bedeuten in der Regel verschiedene Auffassungen. Kommunikationsübungen können dabei helfen, über Erwartungen zu Ehrlichkeit und Offenheit zu sprechen.
- Bedeutungen klären: Die Darlegung der verschiedenen Konzepte und Kategorien von Lügen kann Wissen fördern und als Anstoß dazu dienen, über die persönliche Betroffenheit zu sprechen. Was bedeutet Verschweigen für mich ganz persönlich?
- Erkennen der Intention: Warum wurde etwas verschwiegen? Ging es um Schutz, Angst vor Konflikten, Gewohnheit, besondere Anerkennung oder Kontrolle?
- Wiederaufbau von Vertrauen: Falls das Verschweigen zu einem Vertrauensbruch geführt hat, können strukturierte Gespräche und Vereinbarungen helfen, Vertrauen schrittweise wiederherzustellen.
Fazit: Paare brauchen individuelle Ehrlichkeits-Regeln
Wie so oft gibt es nicht den einen Weg oder die eine Lösung, die für alle gleichermaßen gilt. Ob Details verschweigen als Lüge empfunden wird, hängt von vielen Faktoren ab: der Bedeutung der Information, den Intentionen dahinter und den gemeinsamen Werten in der Beziehung. Wichtig ist, dass alle Partner*innen sich darüber bewusst austauschen, welche Erwartungen sie an Ehrlichkeit haben und welche Art von Geheimnissen für sie möglicherweise akzeptabel sind. So kann ein gemeinsamer Weg gefunden werden, der Vertrauen stärkt statt es zu gefährden.
Quellen: