Don't Panic

Nicht nur Streit in der Beziehung, auch politische und gesellschaftliche Entwicklungen können stark belasten – insbesondere dann, wenn grundlegende Rechte und Freiheiten in Frage gestellt werden. Die jüngsten Einschränkungen queerer Sichtbarkeit, wie das Verbot von Pride-Veranstaltungen in Ungarn, sind alarmierende Zeichen eines wachsenden Rückschritts. Sie hinterlassen bei vielen meiner Klient*innen ein Gefühl der Ohnmacht, Angst oder Überforderung.

Solche Reaktionen sind normal, denn das Erleben von Ungerechtigkeit, Ausgrenzung oder Bedrohung kann emotional sehr fordernd sein. Anhaltender Stress kann sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken und dazu führen, dass es schwerfällt, klar zu denken oder aktiv zu bleiben. Um in herausfordernden Zeiten handlungsfähig zu bleiben, ist es daher wichtig, SOS-Strategien zur Selbstberuhigung zu kennen.

Die folgenden vier wissenschaftlich gestützten Übungen können helfen, akute Belastung zu regulieren und den inneren Fokus wieder etwas zu normalisieren.

Riechen an einer Blume

1. Die 5-4-3-2-1-Methode: Mit den Sinnen im Hier und Jetzt ankommen

Diese Achtsamkeitstechnik hilft dabei, sich zu erden, wenn Angst oder Panik aufkommt. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf die Umgebung und reduziert gedankliches Kreisen.

So funktioniert’s:

  • 5 Dinge sehen – bewusst Gegenstände in der Umgebung mit den Augen wahrnehmen.
  • 4 Dinge hören – gezielt auf Geräusche achten, sei es Vogelgezwitscher oder das Summen des Kühlschranks.
  • 3 Dinge fühlen – verschiedene Oberflächen ertasten, zum Beispiel die eigene Kleidung oder einen Tisch.
  • 2 Dinge riechen – Düfte bewusst wahrnehmen, etwa Kaffee, Seife oder frische Luft.
  • 1 Sache schmecken – einen Schluck Wasser nehmen oder den Geschmack im Mund erspüren.

Diese Übung hilft, das Nervensystem zu beruhigen und die Wahrnehmung ins Hier und Jetzt zu lenken. Jetzt sollte auch klar sein, woher der Name 5-4-3-2-1-Methode kommt. Tatsächlich lässt sich diese Übung so auch gut einprägen. Es ist auch nicht schlimm, wenn Sie mit der Reihenfolge der Sinnesorgane mal durcheinander kommen. Es gibt verschiedene Varianten (s. z. B. Website von Steffen Bambach).

Hütte auf Hügel

2. Der sichere innere Ort: Einen mentalen Rückzugsort schaffen

Diese Methode wird in der Traumatherapie genutzt, um das Gefühl von Sicherheit und Kontrolle wiederherzustellen. Dabei wird ein innerer Ort geschaffen, der Geborgenheit vermittelt.

Das ist der Ablauf in Kurzform:

  • Mit geschlossenen Augen an einen Ort denken, der sich sicher und beruhigend anfühlt.
  • Dieser Ort kann real oder fiktiv sein – eine Waldlichtung, eine Hütte auf einem Hügel, ein gemütlicher Raum oder eine imaginäre Landschaft.
  • So viele Details wie möglich vorstellen: Farben, Geräusche, Gerüche, Temperatur usw.
  • Sich bewusst auf das entstehende Gefühl von Sicherheit konzentrieren.
  • Dem Ort einen Namen geben, um in schwierigen Zeiten wieder dorthin zurückzukehren.

Durch regelmäßiges Üben wird es leichter, in stressigen Momenten auf diesen sicheren inneren Ort zurückzugreifen. Eine ausführlichere Anleitung stellt die Opferhilfe Berlin zur Verfügung.

Meditation

3. Eine Panikreaktion mit der 4–7–8-Atmung beruhigen

Atemtechniken werden immer wieder bei Panikattacken empfohlen und gelten als solide Sofortmaßnahme, um das Nervensystem zu regulieren und Angstgefühle zu reduzieren.

So funktioniert’s:

  • Einatmen (durch die Nase, tief in den Bauch) und dabei bis 4 zählen.
  • 7 Sekunden lang den Atem halten.
  • Schließlich langsam durch den Mund ausatmen und dabei bis 8 zählen.
  • Die Übung so lange wiederholen, bis Sie sich etwas beruhigt haben.

Versuche, die Panik zu unterdrücken, sollten nicht unternommen werden. Vertrauen Sie auf das Wissen, dass jede Panikattacke auch wieder vergeht. Sollte sich bei vier bis sechs Wiederholungen immer noch keine spürbare Verbesserung einstellen, suchen Sie im näheren Umfeld Hilfe oder rufen Sie die 112 an.

bilaterales Zeichnen

4. Malen zur Aktivierung beider Gehirnhälften

Kreative Tätigkeiten sind wirksam, um Stress abzubauen. Besonders hilfreich ist das sogenannte bilaterale Malen, das beide Gehirnhälften aktiviert und dadurch emotionale Verarbeitung unterstützt.

So geht es:

  • Zwei Stifte nehmen, je einen in jede Hand, sowie ein Blatt Papier.
  • Mit beiden Händen gleichzeitig spiegelverkehrte Muster oder Linien auf Papier zeichnen. Was genau dabei entsteht, ist nebensächlich. Es können ganz einfache Strukturen oder skizzierte Objekte sein.
  • Den Fokus auf den Bewegungsfluss legen, ohne das Ergebnis zu bewerten.

Diese Übung kann helfen, innere Anspannung zu lösen und das Nervensystem aus dem Alarmzustand zu holen. Das bilaterale Malen aktiviert beide Hemisphären und fördert kognitive Resilienz.

Selbstfürsorge nicht aus den Augen verlieren

Angst, Erschöpfung oder Überforderung sind natürliche Reaktionen auf belastende Situationen. Gerade in herausfordernden Zeiten ist es wichtig, gut für sich selbst zu sorgen, um langfristig mental gesund bleiben zu können.

Diese Übungen sollen als Inspiration und erste Handlungsmöglichkeiten dienen. Nicht immer erfüllen die aufgeführten Techniken bei allen Menschen gleichermaßen die erwünschten Effekte. Sollten die hier erwähnten Methoden zu Verschlechterungen führen, beenden Sie sie. Bitte beachten Sie, dass Sie bei wiederkehrenden Symptomen und starkem Belastungsdruck unbedingt professionelle Hilfe aufsuchen sollten.

Quellen: