Ein deutsches Sprichwort besagt: “Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.” Schadenfreude ist ein geläufiges Gefühl und beschreibt – wie der Wortlaut schon verrät – ein Vergnügen, das aus dem Unglück anderer entsteht. Wer schon mal “Ich bin ein Star…”, auch bekannt als das RTL-Dschungelcamp, geschaut hat, kennt dieses Gefühl vermutlich allzu gut.
In einer Erhebung von YouGov im Jahr 2018 beantworteten 21 Prozent der Befragten, dass sie sich die Sendung ansähen, um sich über die Teilnehmenden lustig zu machen.
Auch die Mini-Umfrage auf X/Twitter zeigt eine ähnliche Tendenz. Wobei die Hälfte der Abstimmenden auch einfach Gefallen an der Show an sich findet.
Schadenfreude ist davon abzugrenzen, anderen Menschen aktiv Leid zuzufügen. Die Ursachen dieser zwiespältigen Emotion können vielfältig sein und reichen von Neid bis hin zu einem Gefühl der moralischen Überlegenheit. Dschungelcamp-Fans beschreiben dies häufig besonders intensiv. Wenn manch eitler Kandidat mit übertriebener Selbstwahrnehmung sich einer der grotesken Dschungelprüfungen unterziehen muss und dabei grandios scheitert, kann sich die Zuschauerin kaum das Schmunzeln verkneifen.
Im Buch „Schadenfreude – Understanding Pleasure at the Misfortune of Others“ wird erklärt, dass Schadenfreude oft als soziales Signal fungiert, das unsere soziale Hierarchie beeinflusst. Wenn ein*e Konkurrent*in strauchelt, kann dies unser Selbstwertgefühl stärken und unser Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe festigen.
Mehr Selbstwert, weniger Schadenfreude?
Studien zeigen, dass Menschen mit geringem Selbstwertgefühl eher zu Neid neigen, was wiederum mit einer höheren Schadenfreude verbunden ist. Menschen, die wir aufgrund von mangelndem Selbstwert als uns selbst überlegen einschätzen, erheitern uns umso mehr, wenn wir sie straucheln sehen.
In einem Artikel des Focus heißt es:
Man müsse nur an die Hexenverbrennungen und die Gladiatorenkämpfe denken – dagegen erscheinen die heutigen Realityshows mehr als harmlos. „Gewalt auszuüben zur Unterhaltung scheint ein uraltes menschliches Bedürfnis zu stillen, wie auch aktuelle Untersuchungen beweisen“, sagt Frank Schwab. [Professor für Medienpsychologie]
Wie wirkt sich diese Schadenfreude langfristig auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen aus? Stärkt sie unser Gemeinschaftsgefühl, oder hinterlässt sie langfristige Narben?
Mitleid oder auslachen?
Was ist die angemessene Reaktion auf anderer Leute Scheitern? Das ist eine Frage der Moral und des Kontextes. Aber auch Schadenfreude beinhaltet Empathie. Vielleicht können wir nachvollziehen, wie es ist, etwas Ekliges zu essen und erinnern uns dabei an eine Situation, in der wir selbst schon steckten. Manche empfinden dann eher Mitleid.
Interventionen, die den Selbstwert erhöhen, könnten dafür Sorgen, weniger schadenfroh zu sein. Dazu gehören bspw. Psychoedukation, Selbstbestätigung, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen, Selbsthilfegruppen oder kognitive Verhaltenstherapie.
Quellen
- Effects of Self-Evaluation Threat on Schadenfreude (Watanabe, 2016)
- https://doi.org/10.1037/0022-3514.84.5.932 (Leach, Spears, Branscombe, & Doosje, 2003)
- Understanding Pleasure at the Misfortune of Others (van Dijk, Ouwerkerk, 2014)
- Schadenfreude Following Another’s Misfortune on TV (van Dijk, Ouwerkerk, van Koningsbruggen & Wesseling, 2012)
- Faszination Ekel: Warum so viele das Dschungelcamp schauen (Focus, 2016)
- Infografik: Gründe das Dschungelcamp zu schauen (Statista, 2018)
- https://doi.org/10.1016/j.jrp.2021.104131 (Niveau, New, Beaudoin, 2012)
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